Diesen Blog „Kläranlagen – Abwasser im Wandel der Zeiten“ schreibe ich, weil Umweltschutz auch unser tagtägliches Verhalten in Bezug auf das von uns produzierte Abwasser betrifft. Hier können wir durch verantwortungsbewusstes Handeln einen großen Beitrag für unsere Umwelt leisten.
Abwasser – wohin damit?
Jeder von uns produziert Abfälle und Abwasser. In der Frühgeschichte der Menschheit war dies kein Problem. Die wenigen Menschen, die die Erde bevölkerten. lebten zunächst als Jäger und Sammler und entrichteten ihre Notdurft in der Natur. Abfälle, die durch die Ernährung mit erjagtem Wild entstanden, waren natürliche Stoffe, die sich zersetzten und die Umwelt nicht belasteten. Die Ureinwohner Australiens lebten noch bis zur Inbesitznahme Australiens durch die Europäer auf diese Weise.
Als die Menschen sesshaft wurden, gingen sie zunächst sehr locker mit der Abfallentsorgung und der der Abwasserfrage um.
Hygienische Zustände im Mittelalter
Hygiene war in den europäischen Städten des Mittelalters unbekannt und der Inhalt der Nachttöpfe wurde einfach auf die Gassen der Stadt geschüttelt, wo er sich seinen Weg bahnte.

Zum Beispiel sind an Burgen und Türmen aus dem Mittelalter noch die „Toiletten“ zu sehen, die in luftiger Höhe eingebaut waren. Aus Öffnungen an der Unterseite plumpste auch hier Unappetitliches auf die darunterliegende Gasse. Durch diese unhygienischen Verhältnisse wurde Ungeziefer angelockt. Ratten, die Krankheitsüberträger waren, bevölkerten die Dörfer und Städte.
Schwere Seuchen wie Cholera, Pest und Typhus waren die Folge. Da die Exkremente der Menschen auch in Bäche und Flüsse gelangten, waren auch diese Gewässer mit krankmachenden Keimen belastet. Trinkwasser war meist verunreinigt. Man gab selbst Kinder eher Bier als Wasser zu trinken. Bier war durch den Brauvorgang nicht oder wenig mit krankmachenden Keimen belastet.
Gemütliches Beisammensein der alten Römer auf dem „Stillen Örtchen“

Dagegen gab es viele Jahrhunderte früher Völker wie die Römer, die bereits Toiletten bauten, in welchen die entrichtete Notdurft durch fließendes Wasser weggespült wurde. Es war üblich, seine menschlichen Bedürfnisse in Gemeinschaft mit anderen zu verrichten. Doch auch hier stellt sich die Frage, wie hygienisch das wohl war, denn zum Reinigen des „Allerwertesten“ wurde vermutlich ein Schwamm mit einem Stiel verwendet, der von mehreren Personen benutzt wurde. Irgendwie möchte ich mir nicht ausmalen, wie das wohl von statten ging.
Erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts, nachdem eine großen Cholera-Epidemie in London Tausende von Menschen dahingerafft hatte, erkannten Wissenschaftler den Zusammenhang zwischen Abwässern, welche die Themse zu einer einzigen Kloake verwandelten und den auftretenden Seuchen.
Seit 1882 gibt es auf dem europäischen Festland Kläranlagen, Die erste Kläranlage wurde in Frankfurt-Niederrad gebaut. Seither hat sich die Situation bei der Behandlung von Abwasser ständig verbessert.
Wie ging es weiter?
Die Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft trat am 22. Dezember 2000 in Kraft. Damit begann eine integrierte Gewässerschutzpolitik in Europa, die auch über Staats- und Ländergrenzen hinweg zum Tragen kommt.
Kläranlagen und ihre Bedeutung
Kläranlagen sind von grundlegender Bedeutung für die Gesundheit und Lebensqualität der Bevölkerung, für eine intakte Umwelt und sie sind eine wesentliche Voraussetzung für unsere Industrie. Ohne Kläranlagen wäre unsere heutige Lebensweise nicht denkbar. Während in der Anfangszeit der Abwasserreinigung trotz Behandlung in Kläranlagen noch sehr viele Schadstoffe im verbleibenden Abwasser vorhanden waren, wird die Qualität des behandelten Wassers immer besser.
Das Abwasser, das in unsere Kanalisation eingeleitet wird, ist von sehr unterschiedlicher Beschaffenheit. Das Abwasser aus Privathaushalten enthält Rückstände von Wasch- und Spülmitteln, Weichspülern, Körperpflege- oder Haarwaschmitteln und in großen Umfang das Abwasser aus unserer Toilette. Allgegenwärtig jedoch sind auch Spurenstoffe.
Was sind Spurenstoffe in der Umwelt?
In der Projektbroschüre des „KOMS“ Kompetenzzentrun Spurenstoffe-BW wird dieses Thema erläutert. Ich zitiere Auszüge aus dieser Broschüre:
„Wem der Kopf dröhnt, freut sich, dass die Schmerztablette rasche Linderung bringt. Wer von Mücken geplagt wird, greift gerne zum Insektenschutzmittel. Doch deren Inhaltsstoffe entfalten nicht nur im und am Körper ihre Wirkung, sondern sie haben einen weitaus größeren Einflussbereich: Wirkstoffe und ihre Abbauprodukte gelangen über die häusliche und industrielle Wasserentsorgung ins Abwasser. Und weil sie sich nur unzureichend in der Kläranlage entfernen lassen, finden sie sich in Bächen, Flüssen und Seen wieder.
Dort können solche chemischen Verbindungen, die in den Produkten des täglichen Lebens enthalten sind, unter Umständen Wirkungen entfalten, die für Kleinlebewesen und Tiere unnatürliche und unerwünschte Folgen haben. Das gilt nicht nur für pharmazeutische Wirkstoffe, sondern auch für zahlreiche weitere Spurenstoffe, etwa Röntgenkontrastmittel, synthetische Süßstoffe, Duftstoffe, Pflanzenschutzmittel, Industriechemikalien und Flammschutzmittel.„
Gewässer schützen
„Oberstes Prinzip muss es daher sein, solche Verbindungen erst gar nicht in die Gewässer gelangen zu lassen. Bei alten Arzneimitteln, die noch in der Verpackung sind, ist dies recht einfach – man muss sie nur korrekt in der Abfalltonne und nicht unsachgemäß in der Toilette entsorgen.
Doch medizinische Wirkstoffe und ihre Abbauprodukte gelangen eben auch mit den menschlichen Ausscheidungen in das Abwasser. Biozide aus Häuserfassaden oder Pflanzenschutzmittel werden bei Regenwetter diffus in den Abwasserpfad eingetragen. Und dann müssen die Spurenstoffe in der Kläranlage wieder herausgeholt werden, um ihre Auswirkungen auf die Umwelt so gering wie möglich zu halten.
Das aber geht mit den bisherigen Kläranlagen-Techniken – also der mechanischen und biologischen Reinigung – in der Regel nur begrenzt. Mit einer weitergehenden Reinigungsstufe jedoch lässt sich ein breites Spektrum an Spurenstoffen gezielt aus dem Abwasser entfernen. Daher werden in Baden-Württemberg in den letzten Jahren immer mehr Anlagen mit der sogenannten 4. Reinigungsstufe zur weitergehenden Elimination von Spurenstoffen ausgerüstet.“
Besuch in der Kläranlage Neckarsulm
Um mehr zu erfahren, vereinbarte ich einen Termin mit Herrn Morhaus, dem Geschäftsführer des Abwasserzweckverbands AZV Unteres Sulmtal. An dieser Stelle bedanke ich mich ganz herzlich bei Herrn Morhaus für die vielen interessanten Informationen und die Überlassung der Fotos.

Der AZV Unteres Sulmtal entstand schon 1972. Für eine industriell geprägte Stadt wie Neckarsulm war und ist die Kläranlage von größter Bedeutung. Sie ist auf 75.000 Einwohner und die ortsansässige Industrie ausgelegt. Das entspricht umgerechnet insgesamt einer Zahl von 200.000 Einwohnern.
Das Abwasser verrät viel über die Einwohner des Einzugsgebiets und ihre Gesundheit. Seine Analyse kann vor Infektionsausbrüchen schützen.
Durch Monitoring des Abwassers kann auch zum Beispiel die aktuelle Covid-19 Situation im Bereich des Einzugsgebietes einer Kläranlage ermittelt werden. Derzeit ergeben sich bundesweit Hinweise darauf, dass in Deutschland auch Polio (Kinderlähmung) wieder zurück ist.
Das Abwasser durchläuft in der Kläranlage Neckarsulm mehrere Reinigungsstufen:
- Reinigungsstufe mechanisch
- Reinigungsstufe biologisch
- Reinigungsstufe chemisch
Die Verbandsversammlung hat den Grundsatzbeschluss gefasst, dass diese Kläranlage mit einer 4.Reinigungsstufe zur weitergehenden Elimination von Spurenstoffen ausgerüstet wird. Geplanter Baustart ist Ende 2024.
Der Weg des Abwassers
Unter folgendem Link findet man eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Reinigungsphasen. Hier wird der gesamte Reinigungsvorgang übersichtlich dargestellt.
https://www.azv-unteres-sulmtal.de/klaeranlage/der-weg-des-abwassers
Nachfolgend einige Fotos, die Ausschnitte aus dem Reinigungsvorgang des Abwassers aufzeigen.
Texte zu den Fotos: Auszug aus der Website AZV Unteres Sulmtal


In der Rechenanlage werde mithilfe von umlaufenden Sieben grobe und sperrige Stoffe zurückgehalten, um die nachfolgenden Anlagenteile vor Verstopfung und Beschädigung zu schützen. Das anfallende Rechengut wird gewaschen und entwässert, anschließend wird es der Verwertung zugeführt.
Im belüfteten Sandfang sinken die mineralischen Stoffe, die schwerer sind als Wasser, wie z. B. Sand ab. Der anfallende Sand wird in der Sandwaschanlage gewaschen und der Verwertung zugeführt. Im Fettfang werden Leichtstoffe wie Öle und Fette zurückgehalten. Diese werden in den Faulbehältern zu Klärgas umgesetzt.
Belebungsbecken (ohne Abbildung)
In der biologischen Stufe werden die im Abwasser gelösten Verschmutzungen durch Mikroorganismen, Bakterien und Einzeller abgebaut. Sie verwenden die Kohlenstoff- und Stickstoffverbindungen Energiegewinnung und zum Aufbau neuer Biomasse. Um einen möglichst vollständigen Abbau zu erreichen, werden für den Belebtschlamm verschiedene Lebensbedingungen geschaffen.
Die in der Biologie nur teilweise entfernten Phosphatverbindungen werden in der chemischen Stufe durch Zugabe von Fällmitteln gebunden und mit dem Überschussschlamm in der Nachklärung abgezogen und weiterbehandelt


Der in der Abwasserreinigung anfallende Schlamm sowie das Fett aus dem Fettfang werden durch Methanbakterien zu Klärgas umgesetzt. Durch diesen Prozess, der bei Körpertemperatur und unter Luftanschluss stattfindet, wird der Schlamm stabilisiert und der organische Anteil minimiert. Das anfallende Klärgas beseht zum Großteil aus Methan und wird zur Energiegewinnung für die Kläranlage verwendet. (Fotos Faulbehälter/ Gasbehälter)
In der Kläranlage Neckarsulm werden ca. 60% des für den Betrieb der Kläranlage benötigten Stroms durch Verbrennung von dort erzeugtem Biogas gedeckt.
Das Brauchwasser für die Kläranlage und den dazu gehörenden Verwaltungstrakt besteht aus gereinigtem Abwasser, das biologisch einwandfrei ist.
Laut gesetzlicher Verordnung müssen bis zum Jahr 2029 Betreiber von Kläranlagen ab einer gewissen Größe die Rückgewinnung von Phosphor aus dem Klärschlamm sicherstellen.


In der Nachklärung kann sich der belebte Schlamm absetzen und das gereinigte Abwasser wird nach der Auslaufkontrolle über den *Vorfluter Sulm (die Sulm ist ein Nebenfluss des Neckars) in den Neckar eingeleitet. Der abgesetzte Belebtschlamm wird zum großen Teil wieder in die Biologie zurückgeführt.
*Anmerkung: Als Vorfluter werden Gewässer bezeichnet, in die das Abwasser nach seiner Aufbereitung in den Kläranlagen eingeleitet wird.
Hochwasserpumpwerk (ohne Abbildung)
Bei Hochwasser drückt der Neckar die Sulm in den Ablauf der Kläranlage zurück. Um eine Überflutung der Kläranlage zu verhindern, werden in diesem Fall der Ablauf der Kläranlage und der Überlauf der Regenwasserbehandlung mittels Pumpen gegen das Hochwasser in die Sulm gedrückt.
Wie können wir durch unser Verhalten zum Schutz unserer Gewässer beitragen?
2017 war eine erschreckende Meldung in den Medien. In London hatte ein riesiger 130 Tonnen schwerer und 250 m langer Wulst aus Windeln, Feuchttüchern und hartem Kochfett Teile der Kanalisation verstopft. 2019 waren gleich zwei weitere Verstopfungen zu verzeichnen.
Dies macht deutlich, dass bestimmte Dinge einfach nicht in die Kanalisation gelangen sollten. Hier stehen wir alle in der Verantwortung.
Die Toilette ist kein Mülleimer
- Stoffe die nicht wasserlöslich sind oder solche, die nur mit hohem Aufwand wieder aus dem Wasser entfernt werden können, gehören nicht ins Abwasser.
- Hierzu gehören u. A. Hygieneartikel, Windeln, Textilien, Watte, Ohrstäbchen, die diversen Feuchttücher und reißfesten Taschentücher, Tierstreu, Sand, Grillkohle.
- Mit normalen Fettresten, z. B. aus dem Geschirrspüler, gibt es keine Probleme in der Kläranlage. Frittierfett, Altöl, Speiseöl, Öl von eingelegten Konserven oder Schmieröl jedoch verunreinigen das Wasser oft längerfristig und gehören keinesfalls in das Abwasser.
- Es gibt Sammelstellen für gebrauchtes Speiseöl oder für Altöl. Hier hilft auch ein Blick ins Internet, wer regional jeweils der richtige Ansprechpartner ist.
- Ebenfalls nicht ins Abwasser gehören Chemikalien, Farben, Lösungsmittel oder Ähnliches. Solche Stoffe sind Sondermüll und daher in einem Problemstoffsammelzentrum abzugeben.
- Nicht mehr benötigte Medikamente dürfen keinesfalls ins Abwasser gelangen. Sie können über den normalen Hausmüll entsorgt werden, da dieser meist verbrannt wird.
- Auch Lebensmittel, Speisereste und Bio-Abfall gehören nicht ins Klo. Sie dienen Ratten in der Kanalisation als Nahrung. Dadurch begünstigt man die Vermehrung dieser Nager, die auch für die Verbreitung von Krankheiten verantwortlich sind.
- Bauschutt, Zement, Gips oder Mörtelreste verstopfen die Kanalrohre und können Pumpwerke beschädigen.
- Bei der Auswahl unserer Putz- und Reinigungsmittel sollten wir umweltfreundliche Reiniger verwenden.
Hier ist die Website des BUND NATURSCHUTZ IN BAYERN E.V. (BN) interessant:
https://www.bund-naturschutz.de/oekologisch-leben/wohnen/umweltfreundliche-putzmittel
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